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Ein Jahr Krieg in der Ukraine — So geht es den Men­schen heute

„Er hat mich mit dem ganzen Mist hier allein gelassen“, sagt die 78-jährige Mariya Zdanoske. Nach dem Tod ihres Mannes lebt Mariya alleine in dem kleinen Dorf Shiroke in der Ukraine. Der Krieg begleitet sie nun schon ein ganzes Jahr und auch dem Haus, in dem sie seit 30 Jahren lebte, sieht man das an. Eine Bombe hat vor dem Küchenfenster eingeschlagen.

Ein baufälliges und zerstörtes Haus. Links ist eine blaue Wand mit Schusslöchern zu sehen.

Foto: Paul Hahn

Ein Drittel der Bevölkerung auf der Flucht

Viele Menschen wie Mariya haben seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 Schreckliches erlebt. Während einige sich dafür entschieden haben, in ihren Heimatorten zu bleiben oder gar keine andere Wahl hatten, sind auch viele Menschen auf der Flucht vor dem Krieg. 

Ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung wurde laut dem UN-Flüchtlingskommissariat bereits zur Flucht gezwungen. Die Ankunft ist trotz der Unterstützung in vielen EU-Ländern für die Menschen nicht leicht. Der Aufbau eines Alltags in einem fremden Land, während zuhause Krieg herrscht, ist eine Herausforderung.

Gut zu wissen
Ukrainische Menschen in Europa

7,9 Millionen ukrainische Menschen leben mittlerweile in europäischen Staaten als Geflüchtete. Laut dem Mediendienst Integration sind es vor allem Frauen und Kinder, die fliehen. Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen wegen der Mobilmachung das Land nicht verlassen.

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer sind aber auch bereits in ihre Heimat zurückgekehrt, sobald die Regionen wieder als “sicher” eingestuft wurden, oder haben es vor. Doch auch wenn die Heimatregion wieder als sicher gilt, machen die Folgen des Kriegs vor Ort in Kombination mit einem kalten Winter den Menschen zu schaffen. Der kräftezehrende Wiederaufbau von Städten und Dörfern sowie Ausfälle von Strom und Heizung sind nicht nur körperlich belastend, sondern auch psychisch.

Die Schicksale dieser Menschen dürfen in sachlichen Diskussionen über Politik und Waffenlieferungen nicht vergessen werden, ob in der Ukraine oder hier in Deutschland. Wir erzählen ihre Geschichten.

Foto: Paul Hahn

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer sind aber auch bereits in ihre Heimat zurückgekehrt, sobald die Regionen wieder als “sicher” eingestuft wurden, oder haben es vor. Doch auch wenn die Heimatregion wieder als sicher gilt, machen die Folgen des Kriegs vor Ort in Kombination mit einem kalten Winter den Menschen zu schaffen. Der kräftezehrende Wiederaufbau von Städten und Dörfern sowie Ausfälle von Strom und Heizung sind nicht nur körperlich belastend, sondern auch psychisch.

Die Schicksale dieser Menschen dürfen in sachlichen Diskussionen über Politik und Waffenlieferungen nicht vergessen werden, ob in der Ukraine oder hier in Deutschland. Wir erzählen ihre Geschichten.

Gut zu wissen
Ukrainische Menschen in Europa

7,9 Millionen ukrainische Menschen leben mittlerweile in europäischen Staaten als Geflüchtete. Laut dem Mediendienst Integration sind es vor allem Frauen und Kinder, die fliehen. Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen wegen der Mobilmachung das Land nicht verlassen.

Ein Dorf in der Ukraine hält zusammen

In der Mykolaev Region und den umliegenden Dörfern Shiroke, Chervona und Polyana lebten vor dem Krieg 3500 Menschen. Jetzt sind es noch etwa 1500 Einwohnerinnen und Einwohner. Eine davon ist Mariya Zdanoske. Die 78-Jährige war als Reinigungskraft tätig, bis der Krieg ihr Leben schlagartig änderte. Ihr Haus wurde durch die Druckwelle einer Bombe zerstört. Sie überstand den Angriff, doch ihre Hühner und auch der Familienhund kamen ums Leben.

Eine ältere Frau mit Mütze, Kopftuch und Mantel schaut verunsichert nach links.

Foto: Paul Hahn

Das Haus ihrer Tochter Nadia nebenan wurde zum Glück nur leicht durch die Bombenexplosion beschädigt. Die Familie lebt seit März ohne Strom, Wasser und Licht. Nur ein Generator im Dorf schafft Abhilfe, um zweimal die Woche Wasser aus der Erde zu pumpen sowie hin und wieder Strom für Handys zur Verfügung zu stellen.

Die Johanniter unterstützen Mariya und ihre Familie vor Ort mit Materialien, um ihr Haus winterfest zu machen. Dabei gilt es, zerstörte Fenster zu verschließen sowie das Dach und die Wände zu stabilisieren. Wer die Bauarbeiten übernimmt, ist klar: Alle aus dem Dorf packen mit an. Auf die Frage, wie sie das alles schaffen, sagt sie: „Wir haben Hoffnung, dass der Frieden bald kommt. Das lässt uns hier alles durchstehen.”

„Das Wichtigste ist, dass wir uns haben und das zusammen durchstehen“

Im ukrainischen Dorf Posad-Pokrovske gibt es ebenfalls einen starken Zusammenhalt. Nur 30 Kilometer von der Stadt Cherson und der derzeitigen Frontlinie entfernt, wurde das Dorf durch Bomben und Artilleriebeschuss komplett zerstört. Von 925 Familien leben hier noch knapp 200. Schule, Kindergarten, Supermarkt sowie medizinische Versorgung sind nur mehrere Kilometer weit weg zu erreichen – im Dorf ist nichts mehr davon übrig.

Wir treffen dort Lidiya Mikolayivna. Die 60-Jährige lebt seit ihrer Kindheit in Posad. Zwischenzeitlich wurden sie und ihr Mann evakuiert, denn dieser ist schwer an einer Pneumonie erkrankt. Doch seit die Bombardierungen im Oktober aufgehört haben, wohnen die beiden wieder im Dorf. 

Foto: Paul Hahn

„Das Wichtigste ist, dass wir uns haben und das zusammen durchstehen“

Im ukrainischen Dorf Posad-Pokrovske gibt es ebenfalls einen starken Zusammenhalt. Nur 30 Kilometer von der Stadt Cherson und der derzeitigen Frontlinie entfernt, wurde das Dorf durch Bomben und Artilleriebeschuss komplett zerstört. Von 925 Familien leben hier noch knapp 200. Schule, Kindergarten, Supermarkt sowie medizinische Versorgung sind nur mehrere Kilometer weit weg zu erreichen – im Dorf ist nichts mehr davon übrig.

Wir treffen dort Lidiya Mikolayivna. Die 60-Jährige lebt seit ihrer Kindheit in Posad. Zwischenzeitlich wurden sie und ihr Mann evakuiert, denn dieser ist schwer an einer Pneumonie erkrankt. Doch seit die Bombardierungen im Oktober aufgehört haben, wohnen die beiden wieder im Dorf. 

Lidiya und ihr Mann lebten von ihren Kühen und Hühnern sowie selbst angebautem Gemüse auf ihrem Feld. Als sie jedoch zurück nach Posad kamen, war alles zerstört und die Tiere tot. Auch das Haus der beiden hat schwer gelitten. “Ich schäme mich so”, sagt Lidiya, als sie die Räume zeigt, in denen sie jetzt leben. 

Die Hoffnung hat Lidiya allerdings nicht verloren. Sie ist sich sicher: „Das Wichtigste ist, dass wir uns haben und das zusammen durchstehen“. Die Johanniter, ihre Partner vor Ort und weitere NGOs unterstützen Familien wie Lidiyas beim Wiederaufbau des Dorfes und versorgen sie mit Lebensmitteln. 

Ein kaputtes oranges Auto steht vor einem eingestürztem Gebäude.

Jedes Haus im Dorf Posad wurde durch Bomben und Artilleriebeschuss zerstört, auch die Schule und ein Kindergarten. Die Bombardierung hat erst vor wenigen Wochen aufgehört.

Vier Frauen und ein Mann machen gemeinsam ein Selfie.

Mariya Zdanoske mit ihrer Tochter Nadia und Enkelin Lima machen mit Helfenden der Johanniter und ihrer Partner ein Selfie.

Aus einem zerbrochenen Fenster heraus, sieht man eine Gruppe Männer, die Material aus einem LKW ausladen.

Im Dorf packen alle mit an. Hier werden Materialien in Mariyas Haus gebracht, um es winterfest zu machen.

Eine Frau steht mit offenen Armen vor einem Transporter, aus dem ein Mann Holz verteilt.

Lidiya Mikolayivna und die restlichen Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes besorgen sich Holz, um ihre Häuser gemeinsam wieder aufzubauen.

Lidiya und eine Helferin der Johanniter stehen Arm in Arm. Lidiya hat Tränen in den Augen.

Lidiya wird emotional als sie Helfenden der Johanniter ihre Geschichte erzählt.

Ein neues Leben in Deutschland?

Zwischen Ende Februar und dem 23. Januar 2023 wurden 1.051.987 Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland registriert. NGOs, Regierung und die Zivilgesellschaft haben seitdem zahlreiche Projekte und Aktionen gestartet, die Menschen bei der Ankunft in Deutschland unterstützen sollen.

Angebote wie die ukrainischen Lesestunden im Kinderhort “Flinke Eichhörnchen” in Niemegk, Brandenburg sind nur ein Beispiel vieler Maßnahmen, die in kürzester Zeit auf die Beine gestellt wurden. Wir treffen Malvina Dib. Sie ist selbst in der Ukraine aufgewachsen und Mitarbeiterin der Johanniter in Niemegk. Dort ist sie nun eine wichtige Ansprechpartnerin für Eltern und Kinder. 

Sie weiß, dass die Kinder im Hort besondere Unterstützung benötigen: “Wenn ihre Mütter Nachrichten hören, mit Verwandten oder den Vätern in der Ukraine telefonieren, kriegen die Kinder einiges mit. Ich denke, sie verstehen alles. Und sie fühlen alles.”

So ist es auch bei Inna Ustymenko und ihrem Sohn. Sie erinnert sich noch genau an den Tag des Kriegsbeginns. Sie musste sich mit ihrer Familie im Keller verstecken. Die Ankunft in Deutschland beschreibt sie als puren Stress. “Wir konnten die Sprache nicht. Aber die Menschen sind sehr hilfsbereit; vor allem unsere Gastfamilie und Ehrenamtliche unterstützen uns sehr.”

Inna telefoniert gemeinsam mit ihrem Sohn jeden Tag mit ihrem Mann, doch die Telefonverbindung ist oft schlecht. Aus zwei bis drei Wochen sind mittlerweile acht Monate geworden. Die beiden müssen sich nun in Deutschland ein neues Leben aufbauen – zur Schule gehen, Deutsch lernen, das ganze Programm. Inna hofft, dass sie ihren Mann und ihren Schwiegervater bald wieder sehen kann. Eine Rückkehr in die Ukraine mit ihrem Sohn ist für sie momentan zu unsicher.

 

Foto: Aktion Deutschland Hilft/ich.tv

Sie weiß, dass die Kinder im Hort besondere Unterstützung benötigen: “Wenn ihre Mütter Nachrichten hören, mit Verwandten oder den Vätern in der Ukraine telefonieren, kriegen die Kinder einiges mit. Ich denke, sie verstehen alles. Und sie fühlen alles.”

So ist es auch bei Inna Ustymenko und ihrem Sohn. Sie erinnert sich noch genau an den Tag des Kriegsbeginns. Sie musste sich mit ihrer Familie im Keller verstecken. Die Ankunft in Deutschland beschreibt sie als puren Stress. “Wir konnten die Sprache nicht. Aber die Menschen sind sehr hilfsbereit; vor allem unsere Gastfamilie und Ehrenamtliche unterstützen uns sehr.”

Inna telefoniert gemeinsam mit ihrem Sohn jeden Tag mit ihrem Mann, doch die Telefonverbindung ist oft schlecht. Aus zwei bis drei Wochen sind mittlerweile acht Monate geworden. Die beiden müssen sich nun in Deutschland ein neues Leben aufbauen – zur Schule gehen, Deutsch lernen, das ganze Programm. Inna hofft, dass sie ihren Mann und ihren Schwiegervater bald wieder sehen kann. Eine Rückkehr in die Ukraine mit ihrem Sohn ist für sie momentan zu unsicher.

 

Hoffnung für die Zukunft 

Die Ukrainerinnen und Ukrainer geben nicht auf. Die Teams der Johanniter-Auslandshilfe vor Ort berichten von einem unglaublichen Siegeswillen sowie einem starken Zusammenhalt der Bevölkerung – auch ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion.

Die Geschichten von Mariya, Lidiya, Malvina und Inna machen deutlich, dass die ukrainische Bevölkerung Schreckliches erlebt hat. Sie zeigen aber auch, dass Hilfe bei ihnen ankommt und dass wir in Deutschland mit unserer Unterstützung einen Unterschied machen können. 

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Mann mit Johanniter Weste verteilt Holz von einem LKW an Menschen.

Hilfe für die Ukraine

Kein Wasser, kein Strom, keine Heizung – in der Ukraine ist die Lage vielerorts dramatisch. Jede Spende hilft uns, vor Ort und in Deutschland zu unterstützen. Erfahre mehr über die Arbeit der Johanniter.

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