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Unter­stüt­zung und Her­aus­for­de­run­gen für Careleaver

Nicht alle Kinder wachsen in ihren Ursprungs- oder Herkunftsfamilien auf. In Deutschland lebten 2022 laut Statistischem Bundesamt insgesamt 122.700 Kinder & Jugendliche in einer stationären Wohngruppe und 87.300 Kinder und Jugendliche in einer Pflegefamilie. Diese jungen Menschen werden nach dem 18. Lebensjahr und beim Verlassen solcher Familien und/oder Einrichtungen zu sogenannten Careleavern. Häufig ist es so, dass sie weniger Unterstützung von ihrer Pflegefamilie oder auch Herkunftsfamilie erhalten, als andere Jugendliche.

Junger Erwachsener sitzt mit gepackter Tasche auf dem Bett und schaut auf sein Handy

Foto: Erik Mclean

Definition: Careleaver

Mit dem Begriff Careleaver sind junge Erwachsene gemeint, die 18 Jahre oder älter sind und das Hilfesystem verlassen. Careleaver haben einen Teil ihres Lebens in einem betreuten pädagogischen Umfeld verbracht, z.B. einer stationären Wohngruppe oder einer Pflegefamilie, und befinden sich nun im Übergang zu einem eigenständigen Leben.

Foto: Cottonbro Studio

Die großen Herausforderungen: Der Einstieg in die Selbstständigkeit

Das Durchschnittsalter, in dem die meisten jungen Menschen aus dem elterlichen Haushalt ausziehen, lag in Deutschland 2020 bei ca. 23,7 Jahren. Bei Careleavern sieht das allerdings anders aus, denn sie müssen meist bereits mit 18 Jahren auf eigenen Beinen stehen. Die größten Herausforderungen sind unter anderem, sich selbstständig einen Ausbildungsplatz zu suchen oder einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen. Der Erfahrungsschatz gegenüber Gleichaltrigen oder auch die finanziellen Voraussetzungen sind häufig sehr unterschiedlich. So ist z.B. ein zwar notwendiges aber unbezahltes Praktikum für Careleaver häufig aus finanziellen Gründen nicht möglich, ebenso wenig wie z.B. kostenintensive Förderung im schulischen Kontext wie Nachhilfe. Ein Ausbildungsgehalt muss oft für die Miete und die sonstigen Nebenkosten ausreichen. Hierbei ist meist der Übergang ins Berufsleben am problematischsten. Auch das Hilfesystem ist hier oft kompliziert.

Gut zu wissen

Du möchtest auch Unterstützung leisten?

Falls du auch gerne ehrenamtlich den Careleaver e.V. unterstützen möchtest kannst du dies finanziell oder aber auch mit Bewerbungstrainings, Finanztipps oder als Begleitung zu Behördengängen. Viele weitere Unterstützungswege sind hierbei möglich. Weitere Infos findest du hier.

Foto: Cottonbro Studio

Welche Unterstützung und Angebote gibt es für Careleaver?

Das Internet bietet zahlreiche Seiten, auf denen sich Careleaver informieren und schlau machen können. Eine gute Zusammenfassung gibt es beispielsweise auf Careleaver-Online.

Hier können sich Interessierte eine Broschüre für Careleaver herunterladen. Dort finden sich viele wissenswerte Informationen zu Beratungsstellen, alles rund um Rechte und Pflichten, die mit dem 18. Lebensjahr auf einen zukommen und natürlich auch alles rund um Finanzen, Steuern und Versicherungen. Um nur einen kleinen Teil des Inhalts der Broschüre zu nennen. Damit kann man einen guten Eindruck bekommen, wie man den Weg ins Erwachsenenleben gut meistern kann.

Foto: Brad Neathery

Vom selbstverdienten Geld bis hin zur eigenen Wohnung

Einen guten Überblick und viele verschiedene Infos über die generellen Themen rund um: Geld, Wohnung, Versicherungen, Ausbildungen und Studium, etc. bietet auch der Careleaver e.V. Das Ziel des Vereins: Die Förderung von Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe, wie auch die Förderung der Jugendhilfe und Mildtätigkeit.

Auch beim Kinder- und Jugendhilferechtsverein e.V. finden Careleaver Unterstützung und das unabhängig und kostenfrei. Besonders bei der Einforderung ihrer Rechte und der Begleitung aller Lebens relevanten Fragestellungen und Problemlagen im Übergang aus der stationären Jugendhilfe in ein selbstbestimmtes Leben. Zudem haben Careleaver selbst die Möglichkeit, sich dort zu treffen und auszutauschen.

Außerdem gibt es das Careleaver-Kompetenznetz mit vielen ehemaligen und aktuellen Careleavern, die über ihre eigenen Erfahrungen sprechen und hilfreiche Tipps und Tricks mit auf den Weg geben können.

Foto: Brad Neathery

"Careleaver haben einen rechtlichen Anspruch darauf, ins Hilfesystem zurückzukehren, wenn sie die Unterstützung benötigen."

Ylvi Hornemann, Fachbereichsleiterin Kinder- und Jugendhilfe der Johanniter-Unfall-Hilfe

Ins Hilfesystem zurückkehren

Zahlreiche Vereine und Beratungsstellen unterstützen Careleaver beim Übergang in ein selbstständiges Leben. Und es gibt bei auftretenden Herausforderungen und Problemen für die jungen Erwachsenen die Möglichkeit, ins Hilfesystem zurückzukehren. Im Sozialgesetzbuch der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII)  ist festgehalten, dass junge volljährige Menschen auch nach der Beendigung einer Hilfe zurückkehren können, wenn der Bedarf besteht. Das wird auch als Coming-Back-Option bezeichnet.

Die Hilfe kann in der bisherigen Form fortgesetzt werden oder in einer alternativen Form gewährt werden. Das kann dann beispielsweise ein wöchentliches Treffen mit einer Sozialarbeiterin oder einem Sozialarbeiter sein oder die Rückkehr in eine stationäre Wohngruppe. Hier bieten auch die Johanniter Hilfe für junge Erwachsene an. In Absprache mit dem Jugendamt gibt es ebenfalls unterschiedliche Hilfsangebote.

Junger Erwachsener steht am Fenster und schaut nach draußen

Foto: Hamish Duncan