Blindheit: Die Herausforderung mit Bewegung & Sport
Bewegung spielt im Alltag eine große Rolle. Allerdings setzt auch diese in vielen Bereichen eine...
Sehen gehört für viele von uns zum Alltag. Viele Lebensbereiche setzen wie selbstverständlich eine Sehfähigkeit voraus. Was aber, wenn Menschen gar nicht oder nur sehr wenig sehen können – und wie sieht der Alltag für Betroffene aus? Hier gibt es einen ersten Eindruck von ganz alltäglichen Herausforderungen – und wie blinde Menschen damit umgehen.
Foto: Eren Li
"Ich baue mein eigenes Bild von den Orten, an denen ich mich aufhalte. Je eindeutiger die Infos, die ich erhalte – Geräusche, Strukturen, Gerüche –, desto leichter gelingt die Orientierung."
Sabine (49) ist seit dem 12. Lebensjahr blind.
Das häusliche Umfeld lässt sich noch am einfachsten an den eigenen Bedürfnissen ausrichten. Da viele Betroffene Unterschiede zwischen Hell und Dunkel wahrnehmen können, lassen sich durch gezielt eingesetzte Farbkontraste Orientierungspunkte und -flächen erzeugen. Fixe Objekte wie Türen, Treppenstufen, Tischkanten, Vorsprünge, aber auch Schubladen, Ablagefächer etc. werden so für Menschen mit Sehbehinderung wahrnehmbar.
Auch Heimtextilien, wie Vorhänge oder Sofakissen können – kontrastreiche Farbgebung vorausgesetzt – eine leicht umsetzbare Orientierungshilfe bieten. Fällt die Möglichkeit zur Hell/Dunkel-Wahrnehmung weg, helfen haptische Fixpunkte bei der Navigation innerhalb der Wohnung. Handläufe entlang der Wände vermitteln zusätzlich Sicherheit. Auch akustische und olfaktorische, den Geruchssinn betreffende Signale kommen als Orientierungshilfen zum Einsatz: Hierzu gehören Glöckchen oder duftende Zimtstangen.
Ist die Orientierung innerhalb der eigenen vier Wände gewährleistet, geht es sehr schnell ins Detail: Welche ist die Kaffeedose, wo ist der Tee? Ist das hier der rote oder der blaue Pullover? Spülmittel oder Weichspüler?
Zur Identifikation der unterschiedlichen Dinge im Haushalt gibt es zwei naheliegende Grundregeln: Ordnung und Kennzeichnung. Für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit ist es mehr als eine gute Angewohnheit, Dinge, die sie regelmäßig benötigen, an festen Orten aufzubewahren. Um verwechselbare Objekte zu unterscheiden, sind Markierungen hilfreich, z.B. mit Klebepunkten oder Klebebuchstaben. Beispiele: Speiseöl bekommt einen Punkt, Essig bekommt zwei Punkte. Salz hat ein fühlbares S, Pfeffer ein P. Hier gibt es zahllose Möglichkeiten und Ideen. Wichtig ist, dass es für die jeweilige Person funktioniert.
Foto: Kevin Mccutcheon
Beim Kochen als sehbehinderte Person stehen regelmäßig zwei Fragen im Raum.
Erste Frage: Wieviel wovon? Nicht jede Zutat lässt sich mit dem Finger in der Schale abmessen. Da hilft ein spezieller Messbecher mit tastbarer Skala an der Innenseite. Oder eine Küchenwaage mit Ansagefunktion.
Zweite Frage: Wohin damit? Wo genau ist die passende Herdplatte? Beim klassischen Herd mit Einzelplatten lässt sich mit einem Kochlöffel ertasten, ob der Topf richtig steht. Bei einem Ceranfeld ist das schwieriger. Einige Fabrikate haben Kochfeldmarkierungen, die ebenso mit dem Kochlöffel lokalisiert werden können. Es lohnt sich, bei der Anschaffung darauf zu achten! Eine große Hilfe beim Braten stellt übrigens die wendbare Doppelpfanne dar. Der verschließbare Deckel fungiert gleichzeitig als Pfanne, sodass die Pfanne einfach umgedreht wird – und schon ist das Bratgut gewendet.
Putzen ist für viele eine Herausforderung – für Menschen, die nicht sehen können eine besondere. Es gilt herauszufinden, wie verschmutzt die Wohnung tatsächlich ist und welche Stellen besonderer Hingabe bedürfen. Auf höhergelegenen Flächen lässt sich Staub oder ein klebriger Schmutzfilm durchaus erfühlen. Den Verschmutzungsgrad des Fußbodens zu erkennen, ist da schon schwieriger. Deshalb ziehen hier viele Menschen sehende Helferinnen oder Helfer hinzu, um den Verschmutzungsgrad festzustellen. Grundsätzlich hilfreich beim Hausputz sind Regelmäßigkeit und System, sodass die Handgriffe sitzen und die Wohnung auf einem gewissen Reinheitslevel bleibt.
Beim Wäsche waschen liegt die größte Schwierigkeit im Sortieren nach Farben. Hier leisten sogenannte Farberkennungsgeräte oder auch spezielle Smartphone-Apps mittlerweile wertvolle Dienste und helfen, Verfärbungen zu vermeiden. Um kleine Kleidungsstücke, wie Socken und Unterwäsche zusammenzuhalten, haben sich Waschnetze als nützlich erwiesen. Probleme bei der Waschmitteldosierung lassen sich durch die Verwendung von Waschmitteltabs umgehen.
Foto: Reshetnikov_art
Informationen sind heutzutage überall. Und die sind nicht weniger geworden, seit alle Welt digital vernetzt und weitestgehend mit entsprechenden Endgeräten versorgt ist. Vor 30 Jahren fand das Lesen und Schreiben meist analog statt. Auch die Mediennutzung war eher passiv durch Fernsehen und Radio. Heute hingegen gibt es ein riesiges Universum an digitalen Informations- und Interaktionsmöglichkeiten. Eine Herausforderung, aber an vielen Stellen auch ein Gewinn. Für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen haben sich in den letzten Jahren viele neue, hilfreiche Möglichkeiten aufgetan.
Blindenschrift
Die Braille-Schrift, entwickelt im Jahr 1825 von dem Franzosen Louis Braille, besteht aus 64 Zeichen. Basis für jedes Zeichen ist ein Punktraster aus 2 x 3 Punkten, das die Braille-Schrift lesende Person mit den Fingern ertasten kann. Etwa 10 bis 20 % der blinden Menschen in Deutschland haben die Brailleschrift gelernt. Blinde Kinder lernen die Brailleschrift in der Schule.
Foto: Reshetnikov_art
Neben Radioprogrammen und Fernsehen mit Audiodeskription spielen akustische Informations- und Medienangebote für Menschen mit Sehbeeinträchtigung eine wichtige Rolle. Hörbüchereien bieten ihrem Publikum ein breites Angebot an Hörbüchern und Hörfilmen, die sich mit speziellen Abspielgeräten komfortabel abspielen und mittels Sprachmenüs durchsuchen lassen. Auch Podcasts und Audioangebote im Internet haben viel an Beliebtheit gewonnen. Nicht zuletzt, weil Apps und Sprachsteuerungen an Computern und insbesondere in Smartphones die Auswahl, die Bedienung und das Erleben entsprechender Angebote immer komfortabler machen.
Neben akustisch aufbereiteten Medien – Hörbücher, Podcasts etc. – lassen sich mittlerweile auch geschriebene Texte bequemer in hörbare Formate verwandeln. Während vor 15 Jahren noch Vorlesegeräte mit Kamera und Sprachausgabe unhandlich groß und/oder sehr teuer waren, stehen heute Apps zur Verfügung, die ein normales Smartphone zum effektiven Vorlesegerät machen. Sei es für Texte auf Papier oder als Screenreader für digitale Texte.
Auch das Verfassen eigener Texte ist heute viel einfacher. Diktierfunktionen, die das Aufgenommene in Text umwandeln, geben Menschen mit Seheinschränkungen die Möglichkeit, Texte zu erstellen, ganz ohne Blindenschrift. Mittlerweile sind auch Geräte verfügbar, die an einer Brille getragen werden und als Kombination aus Kamera und Sprachausgabe Texte, Schilder, Barcodes, Personen u.a. erkennen – und dem Träger dann direkt das "Gesehene" sagen.
Viele Angebote und Hilfsmittel in den vergangenen Jahren sind zwar hinzugekommen und haben das Leben für blinde Menschen vielleicht etwas vereinfacht– im Vergleich von vor 50 Jahren. Doch trotz allem gibt es heute viele Barrieren, die es noch zu überwinden gibt. Nicht alle Menschen mit Sehbehinderung haben z.B. den Zugang zu den jeweiligen Hilfsmitteln oder Angeboten. Auch hier gilt es eine Lösung zu finden. So dass jedem Menschen ein barrierefreies Leben gewährleistet werden kann, und jede und jeder die Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben hat, um am Geschehen der Gesellschaft teilhaben zu können. Und das so gut es eben geht.
Foto: Eren Li