Rettungsgasse bilden — Das ist dabei wichtig
Ob zwei, drei oder mehr Spuren - die Rettungsgasse gehört zu den wichtigsten Regeln im...
Im Straßenverkehr begegnen uns immer wieder Unfälle oder andere unvorhergesehene Situationen. Ein Auto auf dem Autobahn-Seitenstreifen, ein Blechschaden direkt vor der Ampel im Stadtverkehr. Das zieht natürlich unsere Aufmerksamkeit auf sich. Doch manchmal geht diese Aufmerksamkeit über das normale Maß hinaus und verwandelt sich in Gaffen. Wann spricht man von Gaffen und was können die Folgen sein?
Foto: Clark van der Beken
Gaffen im Straßenverkehr bezeichnet das unangebrachte und langandauernde Betrachten von Unfällen, Pannen oder anderen Ereignissen auf der Straße. Es geht über das normale Interesse wie z.B. einen kurzen Blick hinaus und beeinträchtigt Rettungsmaßnahmen sowie den Verkehrsfluss. Seit die Mehrheit der Menschen Smartphones nutzen und bei sich haben, werden Unfallstellen außerdem immer häufiger fotografiert und gefilmt.
Foto: Robert Calvert
Menschen gaffen aus verschiedenen Gründen, die auf psychologischen Mechanismen basieren. Einer dieser Gründe ist die Neugierde. Wir sind von Natur aus neugierig und haben ein Interesse daran, neue oder ungewöhnliche Dinge zu beobachten. Wenn ein Unfall auf der Straße passiert, weckt das unsere Aufmerksamkeit. Wir möchten wissen, was vor sich geht. Dieses erstmal nachvollziehbare Verlangen, Informationen zu sammeln und zu verstehen, kann aber massive negative Auswirkungen haben, wenn wir dadurch zum Beispiel den Verkehrsfluss beeinträchtigen.
Foto: Robert Calvert
Wir sehen, dass da durchaus ein Problembewusstsein herrscht, und dass es trotzdem passiert.
- Prof. Dr. Marisa Przyrembel zum Thema Gaffen.
Ein weiterer psychologischer Hintergrund für das Gaffen ist der sogenannte Zuschauereffekt. Er bezeichnet das Phänomen, dass Menschen in unklaren oder ungewöhnlichen Situationen eher dazu neigen, zu beobachten, anstatt zu handeln. Sie orientieren sich am Verhalten der Masse und nehmen an, dass andere die Verantwortung übernehmen werden. Je mehr Menschen gaffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch andere diesem Beispiel folgen und das Verhalten verstärkt wird. Das kann dazu führen, dass Menschen, die normalerweise hilfsbereit wären, passiv bleiben und lieber starren, anstatt zu helfen oder sich von der Unfallstelle zu entfernen, um Hilfsmaßnahmen nicht zu blockieren.
Das Gaffen im Straßenverkehr kann erhebliche Schäden verursachen, sowohl in Bezug auf die physische Sicherheit als auch auf die psychische Gesundheit der Verunfallten.
In Deutschland wird das Gaffen im Straßenverkehr nicht toleriert, und es können rechtliche Konsequenzen folgen. Das Verhalten wird als Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung betrachtet. Die Strafen können von einem Bußgeld bis hin zu Punkten in Flensburg und einem Fahrverbot reichen. Darüber hinaus kann Gaffen auch strafrechtliche Konsequenzen haben, wenn es die Rettungsmaßnahmen behindert oder andere Verkehrsdelikte begangen werden.
Gaffen ist kein Kavaliersdelikt. Wer Verletzte und Verunglückte fotografiert oder filmt, muss nach neuerer Gesetzgebung mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe rechnen. Dabei ist es übrigens unerheblich, ob diese Aufnahmen weitergegeben werden. Entscheidend für die Gerichte ist, dass auch schon mit der bloßen Aufzeichnung die Hilflosigkeit der verunfallten Person zur Schau gestellt wird.
Foto: Johanniter/ Sebastian Späthe
Um auf die schwerwiegenden Folgen des Gaffens hinzuweisen, haben die Johanniter die Aktion “Gaffen tötet” gestartet. Dabei wird die “Tatwaffe” der Gaffer, das Smartphone, für die gute Sache genutzt: Auf teilnehmenden Rettungswagen der Johanniter-Unfall-Hilfe ist ein großer QR-Code angebracht. Wird dieser von potentiellen Gaffenden mit ihrer Smartphone-Kamera gescannt, erhalten sie einen Hinweis auf die Website mit einer unmissverständlichen Botschaft:
“Achtung! Gaffen tötet! Es kann Rettungskräfte behindern und zur Straftat werden.“
So soll Gaffenden ihre Tat unmittelbar bewusstgemacht werden.
Wissenschaftliche Begleitung
Parallel zum praktischen Test auf der Straße werden das „Gaffen“-Phänomen und die Reaktionen auf die beklebten Rettungswagen von der Akkon Hochschule für Humanwissenschaft wissenschaftlich untersucht. Ein fünfköpfiges Team bezieht sich dabei auf Aspekte der Notfall-, Sozial- und Motivationspsychologie, um dem Phänomen „Gaffen“ näher zu kommen.
Foto: Johanniter/ Sebastian Späthe
Gaffen tötet! - Erfahre mehr über die Johanniter-Initiative gegen Gaffer.