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Mensch­lich­keit im Ein­satz: Ehren­amt in der Soforthilfe

Marvin ist ehrenamtlicher Soforthelfer der Johanniter-Auslandshilfe. Wenn er nicht gerade als Notfallsanitäter in Katastrophengebieten unterwegs ist, promoviert er und forscht zu afrikanischen Amphibien. Wir haben mit ihm über sein Ehrenamt gesprochen.

Mann mit nackten Füßen sitzt auf einem Stuhl und wird von einem Arzt angeschaut. Kinder sitzen im Hintergrund.

Foto: P. Hahn

Was für Aufgaben hast du eigentlich als Soforthelfer?

Als Soforthelfer ist man gemeinsam mit einem Team bei Krisen und Katastrophen vor Ort. Ich bin im Team als Notfallsanitäter tätig, also in einer medizinischen Funktion. Ich kümmere mich um verschmutzte Wunden, Schnittverletzungen und Brüche oder unterstütze die Ärztinnen und Ärzte in unserem Team. Ich war auch schon als Mitglied von Assessmentteams im Einsatz, das heißt eines Erkundungsteams, das nach einer Katastrophe wie einem Erdbeben oder Tsunami die dringendsten Bedarfe vor Ort erhebt.

Ich übernehme auch logistische Aufgaben, sorge im Camp für Ordnung und dafür, dass alles läuft. Als Mitglied des medizinischen Nothilfeteams bin ich bereits nach Nepal, Mosambik und Papua-Neuguinea gereist. In der Regel dauert ein Einsatz um die 2 Wochen. Da bin ich dann Vollzeit im Einsatz.

Wie bist du zu deinem Ehrenamt gekommen?

Ich habe eigentlich eine klassische Ehrenamtskarriere hingelegt. Ich habe mit 16 Jahren in der Bereitschaft und im Rettungsdienst angefangen und habe später eine Führungsaufgabe übernommen.

Hauptauslöser war eigentlich, dass ich selbst verunfallt und mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gekommen bin. Da habe ich mit einer sehr netten Ehrenamtlerin gesprochen und sie hat mir erzählt, dass man das Ganze ehrenamtlich machen kann. Das fand ich total spannend! Dann habe ich in der Bereitschaft angefangen und alle notwendigen Trainings absolviert. Die Rettungssanitäter-Ausbildung habe ich z.B. schon während der Schulzeit gemacht.

Ein prägendes Ereignis für mich war auch das schwere Erdbeben in Haiti 2010. Die Bilder der Zerstörung haben mich sehr mitgenommen, auch wenn es so fern war. In dem Zeitraum habe ich gemerkt: Ich will helfen! Und zwar da, wo die Hilfe am nötigsten ist. Dann bin ich zur Auslandshilfe gewechselt, wo ich jetzt Soforthelfer bin.

Wie schaffst du es, mit schwierigen Krisen, Katastrophen und Leid um dich herum umzugehen?

Das schaffe ich tatsächlich zunehmend weniger, weil auch der allgemeine Weltschmerz mich mitnimmt. Aber auf Einsätzen ist es wichtig, dass man mit dem eigenen Team auf derselben Ebene ist und das gleiche Mindset hat. Wir wissen zwar alle, was wir tun und dass es geregelte Abläufe braucht, aber es fühlt sich trotzdem immer so an als ginge alles viel zu langsam. In jedem Falle braucht man eine hohe Frustrationstoleranz.

Foto: P. Hahn

Man sieht den enormen Schaden und das Leid und weiß, dass wir daran erstmal wenig ändern werden. Unsere Hilfe kann sich schon wie ein Tropfen auf den heißen Stein anfühlen. Abgesehen von vereinzelten Patientinnen und Patienten denen man hilft, sieht man den Erfolg des Einsatzes für die Gesamtlage nicht unmittelbar. Dass wir einen Unterschied machen, erkennt man erst nach einiger Zeit, wenn dann schon 500-1000 Menschen behandelt wurden. Dann realisiert man, dass auch die kleinen unscheinbaren Tätigkeiten, wie das Reinigen einer Wunde, in der Summe die ein oder andere schwere Komplikation abgewendet, vielleicht aber sogar ein Leben gerettet haben.

Es ist wichtig, dass das Team funktioniert und wir miteinander über das Erlebte reden. Wir haben auch immer eine entsprechende Betreuung, die wir in Anspruch nehmen können, falls einem etwas zu nahe geht. Außerdem wird jeder Einsatz nachbereitet und man hat jederzeit dieses Gesprächsangebot. Es ist wichtig zu wissen, dass man nicht alleine gelassen wird. Die Situation, in der man früher vielleicht noch gesagt bekommen hat: „Das musst du aushalten“, die hat sich jetzt deutlich verbessert und das ist jetzt zum Glück gar nicht mehr so.

Foto: P. Hahn

Wir haben nur eine Erde und da müssen wir alle aktiv anpacken - jeder für sich, jeder im Kleinen.

Was würdest du jemandem mitgeben, der oder die sich gerne in der Soforthilfe engagieren würde?

Grundsätzlich finde ich, dass jede Person sich ehrenamtlich einbringen kann und sollte. Wenn alle etwas in der Gemeinschaft tun, kann‘s nur besser werden. Für die Soforthilfe sollte man jedoch eine gewisse Eignung mitbringen. Deine Sicherheit ist nicht immer und überall gewährleistet und du bist für dich selbst verantwortlich. Es ist nicht immer komfortabel und man hat nicht viel Schlaf. Aber dafür gibt es einen unglaublichen Zusammenhalt. Manchmal vergessen wir, was das eigentlich bedeutet. Ich finde es wichtig, dass wir nicht nur national denken, sondern eine internationale Familie bilden. Wir haben nur die eine Erde und da müssen wir alle aktiv anpacken - jeder für sich, jeder im Kleinen

Was war das wichtigste Learning, das du aus deinen Erfahrungen mitgenommen hast?

Einer meiner Einsätze war in Mosambik, hier haben wir ein medizinisches Versorgungszentrum aufgebaut. Dort habe ich die Erkenntnis mitgenommen, dass unsere Versorgung in Deutschland wirklich ein extremer Luxus ist. Darüber sind wir uns oft nicht immer im Klaren und wertschätzen das nicht genug. Wir können beispielsweise mal eben schnell zur Hausarztpraxis.

Während der Corona-Pandemie ist das Manchen vielleicht ein bisschen bewusster geworden. Aber das wurde dann auch schnell wieder vergessen. Ein Großteil der Menschen beneidet uns um unser Gesundheitssystem. Das ist viel Wert und wir müssen gut darauf aufpassen, z.B. indem wir es nicht überlasten!

Kleines Mädchen mit gebrochenem Bein wird von einem Arzt untersucht.

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