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Wege aus Gewalt und Woh­nungs­lo­sig­keit: Wel­che Mög­lich­kei­ten haben Betroffene?

Weltweit sind Frauen und Mädchen körperlicher und mentaler Gewalt ausgesetzt. Und das täglich. In den vergangenen Jahren sind die Zahlen sogar gestiegen, auch in Deutschland. Die langfristigen Auswirkungen für die betroffenen Personen sind erheblich. Bund, Länder und Organisationen bieten Beratungsstellen sowie konkrete Hilfe an. Welche das sind, erfahrt ihr hier.

Drei Frauengesichter die liegend auf dem Boden angespannt in die Kamera gucken

Foto: Gemma Chua Tran

1,1 Milliarden Frauen hatten 2020 weltweit keinen gesetzlichen Schutz vor sexualisierter Gewalt.

Wie steht es um das Thema “Gewalt gegen Frauen” in der Zivilgesellschaft?

In vielen Gesellschaften haben sich liberale Haltungen durchgesetzt. Die Aufklärung wird stetig besser, immer mehr bislang “tabuisierte" Themen wie Catcalling oder Upskirting werden öffentlich kritisiert. Aber die Statistik der vergangenen Jahre zeigt: Die körperliche und mentale Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen nimmt kontinuierlich zu. Mehr Fälle werden angezeigt und öffentlich gemacht.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen: Statistiken auf der ganzen Welt zeigen eine traurige Bilanz

Im internationalen Vergleich sind Frauen in Indien am ehesten Gewalt ausgesetzt (Statista 2018). Es folgen Afghanistan, Syrien und Somalia, die USA liegen auf Rang 10. Zu berücksichtigen ist aber: Je geringer die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber sexualisierter Gewalt ist, desto eher sind betroffene Menschen bereit, Fälle anzuzeigen.

Das ist zum Beispiel in Schweden der Fall:

Die Skandinavier stehen an zweiter Stelle der europäischen Länder mit den meisten Vergewaltigungen pro 100.000 Einwohner (Statista 2019). Deutschland dagegen rangiert in dieser Erhebung weiter hinten auf Platz 13. Viel entscheidender sind daher die absoluten Zahlen pro Land. „In den Einsatzländern der Johanniter-Auslandshilfe sind die Zahlen erschreckend hoch und die Dunkelziffer liegt noch deutlich höher. Jede dritte Frau hat in ihrem Leben Gewalt erfahren, oft mehrfach“, sagt Claudia Zehl, Fachberaterin Safeguarding und PSEAH (Prevention of Sexual Exploitation, Abuse and Harassment).

Warum ist Gewalt gegen Frauen überhaupt so verbreitet?

Gewalt gegen Frauen ist eine der häufigsten Menschenrechtsverletzungen und wird mehrheitlich von Männern jeglichen sozialen und ökonomischen Hintergrunds verübt. Die Ursachen liegen auf individueller und insbesondere struktureller Ebene: In patriarchal geprägten Gesellschaften ist Gewalt Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen. Nur wenn es keine frauenfeindliche Strukturen mehr gibt, kann Geschlechtergerechtigkeit und ein gewaltfreies Umfeld entstehen.

Einsame Frau steht verlassen an einem U-Bahngleis während U-Bahn schnell vorbeifährt

Foto: Ross Sneddon

Wie ist die Situation in Deutschland?

Selbst in einer Demokratie wie Deutschland ist Gewalt gegen Frauen ein weit verbreitetes Problem. Erhebungen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben belegen, dass jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erlebt. Besonders bei Streitigkeiten in Partnerschaften werden in erster Linie Frauen zum Opfer häuslicher Gewalt.

119.164 Frauen haben 2020 in Deutschland Gewalt in der Partnerschaft erfahren.

Nur wenn es keine frauenfeindliche Strukturen mehr gibt, kann Geschlechtergerechtigkeit und ein gewaltfreies Umfeld entstehen.

Die Gesetzgebung in Deutschland soll verschärft werden

Der „Femizid“ ist beispielsweise noch kein Straftatbestand. Sogenannte Trennungstötungen werden häufig als Totschlag anstelle von Mord geahndet. Somit wird suggeriert, dass die Tötung einer Frau durch ihren Ex-Partner kein niedriger Beweggrund sei. Aber: 2022 gibt es im Bundestag Initiativen, die gesetzliche Grundlage zu verändern. Handelt ein Täter aus "geschlechtsspezifischen" Beweggründen, soll dies in Zukunft stärker bestraft werden.

Betroffene sollten unbedingt Rat suchen

Wenn körperliche oder psychische Gewalt ausgeübt wird, fällt es vielen Frauen meist sehr schwer, sich Hilfe oder Rat zu suchen. Eine Möglichkeit ist das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, eingerichtet vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA).

Gut zu wissen
Hilfetelefon: Anonym und immer erreichbar

Mehr als 80 qualifizierte Beraterinnen sind unter der Telefonnummer 08000 116 016 sowie per E-Mail, Sofort- oder Terminchat auf der Internetseite des Hilfetelefons an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr erreichbar.

Das 24/7-Hilfetelefon des BAFzA

Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons: „Das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen richtet sich an gewaltbetroffene Frauen, an Menschen aus ihrem Umfeld, sowie an Fachkräfte. Es berät kostenfrei, anonym und vertraulich zu allen Formen der Gewalt. Darunter Partnerschaftsgewalt, Mobbing, Stalking, Zwangsverheiratung, Vergewaltigung und Menschenhandel.“

 

Frauenhäuser: Bundesweit verteilt

In diesen sozialen Einrichtungen finden Frauen und Kinder im Falle von häuslicher Gewalt Hilfe, Beratung und vorübergehend eine geschützte Unterkunft. Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 400 Frauenhäuser und 40 Frauenschutzwohnungen. In vielen Bundesländern ergänzen zudem sogenannte Interventionsstellen das Angebot.

Sie beraten Opfer von Gewalt vor allem im Zusammenhang mit einem polizeilichen Einsatz und unterstützen auch im Hinblick auf rechtliche Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz.

Foto: Kolya Korzh

Das 24/7-Hilfetelefon des BAFzA

Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons: „Das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen richtet sich an gewaltbetroffene Frauen, an Menschen aus ihrem Umfeld, sowie an Fachkräfte. Es berät kostenfrei, anonym und vertraulich zu allen Formen der Gewalt. Darunter Partnerschaftsgewalt, Mobbing, Stalking, Zwangsverheiratung, Vergewaltigung und Menschenhandel.“

 

Frauenhäuser: Bundesweit verteilt

In diesen sozialen Einrichtungen finden Frauen und Kinder im Falle von häuslicher Gewalt Hilfe, Beratung und vorübergehend eine geschützte Unterkunft. Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 400 Frauenhäuser und 40 Frauenschutzwohnungen. In vielen Bundesländern ergänzen zudem sogenannte Interventionsstellen das Angebot.

Sie beraten Opfer von Gewalt vor allem im Zusammenhang mit einem polizeilichen Einsatz und unterstützen auch im Hinblick auf rechtliche Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz.

Gut zu wissen
Hilfetelefon: Anonym und immer erreichbar

Mehr als 80 qualifizierte Beraterinnen sind unter der Telefonnummer 08000 116 016 sowie per E-Mail, Sofort- oder Terminchat auf der Internetseite des Hilfetelefons an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr erreichbar.

Frauen-WG der Johanniter Unfall-Hilfe: individuell und einzigartig

Wohnungslosigkeit von Frauen ist eine der langfristigen Folgen, die aus Gewalterfahrungen häufig entstehen. „Die Stärkung von Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit der Frauen zu fördern und ihnen positive Erfahrungen zu ermöglichen ist das Ziel unserer Wohnungslosenhilfe“, sagt Martha Jännert, Leiterin der Johanniter-Wohngemeinschaft für Frauen in Iserlohn. Hier werden Frauen aufgenommen, die schwierige Lebenslagen aus eigener Kraft nicht überwinden können.

Anschlussbetreuung für ein neues Leben

In 26 Jahren haben die Betreuerinnen mehr als 200 Frauen begleitet. Diese einzigartige Einrichtung begleitet wohnungslose Frauen auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Sie bietet ein Dach über dem Kopf und einen strukturierten Tagesablauf: Einkaufen, Kochen, Werkstätten und Therapien gehören zum Konzept. Martha Jännert: “Jede Bewohnerin erhält eine auf ihre Bedürfnisse und Ressourcen zugeschnittene Beratung.” Eine Begleitung durch das Ambulante Betreute Wohnen der Johanniter im Anschluss an das WG-Angebot hilft, damit das erarbeitete neue Leben weitergeht.

Junge Frau steht abgewandt zum Fenster und blickt hoffnungsvoll über ihre Schulter

Foto: Toa Heftiba

Betroffene Frauen sind nicht alleine

Martha Jännert: “Die emotionale Gewalt an Frauen hat viele schreckliche Gesichter. Ihre blauen Flecken sieht man nicht, doch ihre Folgen sind furchtbar. Wir bieten Betroffenen einen Weg in ein selbstbestimmtes Leben, das von Würde, Kraft und dem Wissen um den großen eigenen Wert geprägt ist. Wir lassen sie nicht alleine!”

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Frau steht einsam, verlassen, aber hoffnungsvoll am Fenster und hat die Augen geschlossen

Informationen zur Frauen-Wohngemeinschaft

Das Ziel der Johanniter Wohngemeinschaft ist es, Frauen zu befähigen, selbstständig und eigenverantwortlich in einer eigenen Wohnung zu leben und die soziale Isolation zu überwinden.

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Frau aus Südsudan läuft mit einem Besen in der Hand durch die Savanne

Geschlechtsspezifische Gewalt im Südsudan

In vielen Projekten arbeitet die Johanniter-Auslandshilfe mit Überlebenden von sexualisierter Gewalt und sensibilisieren Männer für das Thema, so auch im Südsudan. Auch als Organisation haben wir eine Organisationskultur etabliert, die den Schutz aller Menschen in den Vordergrund stellt und leisten unseren Beitrag.

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