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Trau­er­be­glei­tung bei Kin­dern: Wie kann ich nach einem Ver­lust zur Seite stehen?

Einen persönlichen Trauerweg nach dem Tod einer geliebten Person zu finden, ist bereits für Erwachsene eine große Herausforderung. Wie sollen dann nur Heranwachsende erst mit der Verarbeitung ihrer Gefühle in den verschiedenen Phasen der Trauer umgehen und das ganz gleich, ob es ein Freund oder eine Freundin ist, die Eltern oder aber auch die Großeltern? Eine Frage, die sich viele Eltern stellen. Wir haben uns mit Elena Jannemann, Leitende Koordinatorin des Trauerzentrums für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene Lacrima in Hamburg zusammengesetzt und einmal nachgehakt, worauf es eigentlich ankommt.

Kleiner Junge sitzt mit einem großen Teddy auf einer Treppe

Foto: Pixabay

"Egal, ob mein Kind “Symptome” zeigt oder nicht: ich kann es immer darauf aufmerksam machen, dass es Trauerbegleitungen gibt."

Foto: Elena Jannemann

Wie kann ich typische Trauersymptome bei Kindern erkennen?

Vorerst: Den Begriff Symptome verbindet man häufig mit “Krankheit” und genau davon wollen wir weg. Trauer ist etwas Gesundes und es ist eine natürliche Reaktion auf den Tod.

Einige Kinder lassen sich direkt nach dem Versterben und auch häufig das erste Jahr nicht viel anmerken und “funktionieren”. Sie sind gut in der Schule, kriegen ihr Leben gemanagt, sind selbständig und haben immer ein Lächeln auf den Lippen.

Doch irgendwann bricht dieses Gerüst zusammen und dann funktioniert es auf einmal nicht mehr: die Schulleistungen können schlechter werden und manchmal gibt es auch Rückentwicklungen wie z.B. Kinder, die sich wieder einnässen, anfangen Babysprache zu benutzen oder anhänglicher werden. Und dann kann es schwierig werden, denn der Verlust liegt hier aus Sicht der Eltern bereits lange zurück und wird nicht damit in Verbindung gebracht. Eltern und insbesondere unsere Gesellschaft verstehen es nicht, weil das Kind sich ein Jahr lang gut zurechtgefunden hat.

Gut zu wissen

Elena Jannemann:

Seit 2,5 Jahren arbeitet die 30-Jährige bei den Johannitern in Hamburg und leitet dort Lacrima, das Trauerzentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Dort hat sie koordinative Aufgaben, wie das Bearbeiten von Anfragen, Netzwerkarbeit und Ehrenamtskoordination. Auch die Konzeptionierung und Umsetzung der Gruppenangebote, wie auch Einzelberatung und -angebote, fällt in ihren Aufgabenbereich.

 

Hast du auch eine Anfrage? Dann einmal hier entlang.

 

Foto: Elena Jannemann

Der Umgang mit Trauer bei Kindern: Tipps für Eltern

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Man muss nicht alles wissen

Ein wichtiger Punkt, der auch vielen Eltern besonders schwer fällt: Man muss nicht alles wissen. Kinder haben manchmal sehr spezielle Fragen und viele Eltern haben das Bedürfnis, allwissend zu sein oder möglichst viel zu wissen. Doch gerade nach einem Verlust geht es darum, ehrlich und aufrichtig zu sein. Nichtwissen wird gesellschaftlich häufig als Schwäche eingestuft, doch ein Kind kann sehr gut damit umgehen, wenn man sagt: “Ich weiß es nicht”. Und dann vielleicht auch mal die Frage zurückzugeben: “Was glaubst du denn so”?

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Ein Vorbild sein

Wir können Vorbilder sein im Umgang mit Emotionen. Das ist zum Beispiel etwas, was ich gerade Vätern auch sehr klassisch sage: Sie dürfen weinen und das auch vor ihren Kindern. Es ist ein Vorbild für die Kinder, wenn sie sehen, dass der Papa auch mal weint. Sie lernen so, dass traurig sein und weinen in Ordnung ist.

Allerdings Achtung: Das Elternteil sollte nicht vor Tränen zerfließen. Dasselbe gilt, wenn man wütend ist. Hier kann man Kindern zeigen, wie man mit Wut gut umgehen kann. Einige Kinder zeigen als Reaktion zeitweise Aggressionen. Das liegt daran, dass sie nicht gelernt haben, wie sie mit ihrer Wut gut umgehen können und sich unter anderem unverstanden und nicht wahrgenommen fühlen. Das heißt, wir haben in dieser Trauer einfach in vielen Momenten eine Vorbildfunktion und können kreativ und spielerisch mit Kindern an bestimmten Dingen arbeiten.

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Gerne auch Hilfe annehmen

Es ist auch vollkommen okay, als Bezugsperson nicht immer alles zu können und man muss auch nicht immer funktionieren. Der wichtigste Punkt: Hilfe annehmen. Ich glaube, dass unsere Gesellschaft inzwischen so weit ist, dass es durchaus viele Hilfsangebote gibt. Beispielsweise die Nachbarn, die anbieten, die Kinder zur Schule oder zur Kita zu bringen oder Freunde, die den Einkauf übernehmen würden.

Und diese auch ohne schlechtes Gewissen einfach mal annehmen kann. Das ist das, was wir lernen müssen und damit auch unseren Kindern helfen können.

Mädchen sieht traurig in die Kamera und Familie steht hinter ihr mit den Händen auf den Schultern

Foto: Rodnae Productions

Der Unterschied: Trauer bei Kindern & Trauer bei Erwachsenen

Erwachsene sollten sich manchmal eine Scheibe von den Kindern abschneiden, besonders beim Thema Umgang mit Trauer. Kinder sind unglaublich aufrichtig und ehrlich in alle Richtungen. Sie sind nicht immer nur nett, sondern sagen ziemlich direkt, wenn sie etwas nicht gut finden. Zudem haben Kinder etwas, das wir bereits verlernt haben, bzw. was uns aberzogen wurde: Eine natürliche Grenze für das, was sie ertragen oder nicht ertragen können.

Deswegen ist unsere Empfehlung, Kinder in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Die Kinder bewusst mitzunehmen, wenn man einen Sarg oder eine Urne auswählt, Kinder die Trauerfeier mitgestalten zu lassen und Kinder nach ihrer Meinung zu fragen. Wenn ein Kind das gerade nicht kann oder möchte oder es dem Kind zu viel wird, dann äußern das Kinder in der Regel ziemlich deutlich. Erwachsene hingegen neigen dazu, diese Grenzen für sich nicht wahrzunehmen.

Foto: Jordan Whitt

Bedeutung & Definition: “Pfützentrauern”

Das Pfützen-Springen ist eigentlich ein resilientes Verhalten, denn Kinder schaffen sich Orte, in denen sie traurig sind. Sie leben ihre Emotionen dann aus. Manchmal auch so extrem, dass es für uns Erwachsene schwer auszuhalten ist. Doch dann ist es aber im nächsten Moment auch wieder gut, weil die Kinder sich Luft gemacht haben und wieder aus dieser “Pfütze” rauskommen.

Als Erwachsener besteht häufig ein gesellschaftlicher Druck, dass man spätestens nach sechs Wochen wieder arbeitsfähig sein muss. Man redet immer noch in unserer Gesellschaft von einem Trauerjahr. Nach einem Jahr muss es dann auch wirklich wieder gut sein und man muss in die Normalität zurückgefunden haben. Für viele Menschen ist dies belastend, wenn Wochen oder Monate später noch von dem Verstorbenen geredet oder erzählt wird. Und das zeigt, dass wir dazu neigen, als Leistungsgesellschaft schnell wieder in die Leistung zu gehen.

Foto: Jordan Whitt

Bei Kindern ist es häufig so, dass die aktive Trauer – das, was wir Erwachsenen als Trauer bezeichnen – erst später sichtbar wird und einsetzt. Kinder springen dann in die sogenannte “Trauerpfütze” rein. Sie sind dann zwei bis drei Minuten sehr traurig und/oder wütend und in dieser Trauer gefangen. Danach springen sie allerdings wieder raus, lachen und freuen sich und leben ihr Leben.

Viele Erwachsene irritiert dieses Verhalten und auch für mich als Trauerbegleiterin ist es sehr interessant zu beobachten. Aber man muss lernen, das zu akzeptieren. Die Eltern müssen ein Verständnis für ihre Kinder und dessen Trauer entwickeln, damit es auch zu Hause wieder gut funktionieren kann und sie füreinander da sein können.

Gut zu wissen

Finanzierung der Trauerbegleitung Lacrima

Da Trauer grundsätzlich unter keine “Krankheit” fällt, gibt es auch von den Krankenkassen keine Diagnose dafür. Dementsprechend wird es auch nicht finanziell durch den Staat oder die Krankenkassen unterstützt. Trauerarbeit wird aus diesem Grund zu 100% durch Spenden finanziert. Wenn du auch etwas spenden möchtest, schau doch mal hier vorbei.

Foto: Etut Subiyanto

Lacrima - Das Trauerzentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

Das Konzept “Lacrima” gibt es unter den Johannitern seit etwa 15 Jahren. Der Ursprung damals war in München und inzwischen gibt es das an diversen Standorten in ganz Deutschland.

Wir begleiten Familien nach und/oder um einen Verlust herum. Es geht natürlich um ein menschliches Wesen, das verstorben ist. Aber es geht nicht darum, dass es Verwandte ersten Grades sein müssen. Das kann auch genauso gut der Onkel, die Patentante oder die beste Freundin sein. Es geht hauptsächlich darum, dass Menschen, die einen Verlust erlitten haben, von uns Beratung und Begleitung erfahren.

Das Besondere an dem Standort in Hamburg: Die Trauergruppe der Vielfalt für junge Erwachsene.

Foto: Etut Subiyanto

Schwerpunkt: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus der LGBTQIA+/queeren Szene

Vor ca. 1 ½ Jahren haben wir uns die Frage gestellt, warum unsere Trauergruppen scheinbar sehr heteronormativ sind und das in einer multikulturellen Stadt wie Hamburg. Letztlich konnten wir durch unsere Recherchen feststellen, dass besonders Menschen aus der queere Szene oder Menschen mit Beeinträchtigungen sich nicht durch unser bestehendes Angebot angesprochen fühlen. Bspw. queere Menschen haben häufig eigene Themen oder Probleme und haben die Befürchtung, dass sie in einer Trauergruppe, für eben genau diese Themen und Probleme eine gewisse Ablehnung oder Diskriminierung erfahren.

80 bis 90 % aller Menschen, die keine Zugehörigkeit zu ihrem angeborenen Geschlecht haben, erfahren in ihrem Leben massive Diskriminierung. Menschen, die sich nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren (das sind bspw. trans Personen, nicht-binäre Personen oder agender Personen) brauchen Schutz- und (Frei-)Räume, in denen sie ganz sie selbst sein können, da es für sie immer noch viele institutionelle, strukturelle und soziale Hürden gibt. Diese Hürden können eine enorme Belastung darstellen, die sich negativ auf die psychische und/oder physische Gesundheit auswirkt.

Foto: Mikotoraw Photographer

Konflikte & Suizidrate in der queeren Szene

Häufig entsteht mit der Geschlechtsangleichung, dem Nicht-Identifizieren oder dem nicht “klassischen sexuellen Orientierungsbild” ein massiver Konflikt innerhalb der Familie: Jugendliche ziehen deutlich früher von zu Hause aus, haben manchmal keinen Schulabschluss, vielleicht sogar Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken oder in Therapieeinrichtungen hinter sich. Da kommt dann einiges zusammen und im schlimmsten Fall dann noch ein Trauerfall. Das führt dazu, dass das Fass im wahrsten Sinne des Wortes einfach überläuft.

Auch die Suizidrate in der queeren Szene ist immer noch unfassbar hoch. Wir müssen uns ja nichts vormachen, aber Suizid ist einfach etwas in dem Unzufriedenheit, Einsamkeit und auch sehr viele schlimme Gefühle stecken.

Foto: Mikotoraw Photographer

Wir wollen als Johanniter als ein offener und sicherer Ort für alle Menschen wahrgenommen werden. Das gilt insbesondere auch für Menschen, die beispielsweise aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Identität oder aufgrund einer Behinderung Diskriminierung erfahren. Mit der Trauergruppe der Vielfalt wollen wir unseren individuellen Beitrag dazu leisten, diese Überzeugung mit Leben zu füllen! Dabei betrachten wir uns als immerzu Lernende und freuen uns, wenn wir durch das Feedback der Community gemeinsam wachsen, uns weiterentwickeln und das Angebot immer mehr wieder verbessern können.

Altersbegrenzung:

Mir ist wichtig zu sagen, dass unsere Altersbegrenzung nicht in Stein gemeißelt ist. Also auf dem Papier steht zwischen 16 und 30 Jahren, aber manche 16-jährige sind noch sehr jugendlich und sind dadurch deutlich besser in der Jugendgruppe eingebunden und manche 32-jährige befinden sich einfach auch noch in so einem Übergang und passen sehr gut in eine junge Erwachsene Gruppe. Häufig ist es eine individuelle Entscheidung, ob der- oder diejenige dann auch gut in die Gruppe reinpasst.

Trauerbegleitung für Kinder & Jugendliche

Lacrima Projekte unterstützen

Lacrima bietet trauernden Kindern und Jugendlichen eine geschützte und vertrauensvolle Umgebung, die ihnen hilft, ihren ganz persönlichen Trauerweg zu finden. Hierzu werden regelmäßige Gruppenstunden angeboten, in denen Kinder beruhigende Rituale und Anteilnahme erfahren, aber auch spielen und toben können. Lacrima ist für Betroffene kostenlos. Doch nur durch Spenden werden unsere Angebote ermöglicht.

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