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Mit der Logo­pä­die zur weib­li­chen Stimme: Stimm­tran­si­tion für Trans* Menschen

Viele trans* Menschen wünschen sich eine Veränderung in der Stimme, damit sie in der Öffentlichkeit richtig gelesen und angesprochen werden. Die Stimmtransition umfasst Maßnahmen, die einen männlichen Stimmklang in einen weiblichen oder - bei nonbinären Personen - in einen geschlechtslosen Stimmklang umwandeln. Wir haben mit der Logopädin Carolin Hohnhaus gesprochen, die Klient*innen bei diesem Prozess begleitet und unterstützt. Wir haben sie gefragt, wie so eine Stimmtransition abläuft, welche Rolle sie dabei spielt und mit ihren Klient*innen gesprochen.

Eine Frau mit blondem Bob schaut einer anderen Person ins Gesicht und hält einen Stift.

Foto: Johanniter / Marcus Brodt

Was ist eine Stimmtransition?

Stimmen von 140 Hertz abwärts werden als männlich oder geschlechtsneutral wahrgenommen, Stimmen oberhalb von 170 Hertz als feminin. Wir versuchen bei der Stimmtransition also, in höhere Frequenzbereiche zu kommen.

Die Klient*innen lernen, bestimmte Muskeln und Muskelgruppen, die an der Stimmbildung beteiligt sind, anzusteuern und zu trainieren. Viele Techniken sind aus dem Gesangstraining bekannt.

Carolin Hohnhaus

Carolin Hohnhaus (29) ist seit 7 Jahren Logopädin. 2020 wurde die Johanniter-Praxis für Ergotherapie und Logopädie in Schwabach eröffnet und seit Herbst 2023 wird dort die LaKru-Stimmtransition für trans* und nicht-binäre Menschen angeboten.

Kommen Menschen mit einer genauen Vorstellung in die Therapie? Wie findet man die für sich „richtige” Stimme?

Die meisten Klient*innen wünschen sich eine höhere Stimmlage, vereinzelt besteht aber auch der Wunsch nach einer tiefen Frauenstimme. Ich lasse die Klient*innen schildern, was für sie ein femininer Stimmklang bedeutet und frage nach Sprechvorbildern. Die richtige Stimme ist eine gesunde Stimme, die von den Klient*innen ohne großen Aufwand in einem höheren Frequenzbereich produziert werden kann.

Wie läuft die Therapie-Sitzung ab?

Am Anfang steht die Anamnese. Wir finden heraus, welchen Stimmklang sich die Klient*in vorstellt. Tiefer? Höher? Dünner? Tragender? Wir fragen, wie weit sie bereits in der Transition fortgeschritten ist, beraten zu Themen wie dem Einfluss von Rauchen und Trinken auf die Stimme oder zu Stimmhygiene, also zu Maßnahmen, die dabei helfen, die Stimme zu pflegen.

Dann gibt es vier verschiedene Bausteine der Therapie:

  1. Die sogenannten Taschenfalten kontrollieren lernen. Diese liegen oberhalb der Stimmlippen liegen und werden zur Stimmbildung genutzt. Die Klient*innen lernen die Taschenfalten bewusst anzusteuern und in einer weiten Position beim Sprechen zu halten, um einer Stimmüberlastung vorzubeugen.
  2. Die Veränderung der Kehlkopfposition. Es wird gelernt den Kehlkopf in einer höheren Position beim Sprechen zu halten. Eine hohe Kehlkopfposition erzeugt eine Stimme, die als weiblich gehört wird. Das ist vergleichbar damit, wenn du einen Stein in einen Brunnen wirfst: Ist der Raum vom Brunnenrand bis zum Grund groß, erzeugt der Stein einen dunklen Klang. Sobald er auf Wasser trifft, ist der Raum klein, wird der Klang heller.
  3. Das Training der Stimmfunktionsbereiche. Hier geht es darum, beim Sprechen zu lernen, weich mit der Stimme einzusetzen. Außerdem sollen nur noch die Ränder der Stimmlippen schwingen, also von einer sogenannten Vollschwingung in die Randschwingung zu kommen.
  4. Die Absenkung des Kehldeckels, damit der Stimmklang tragfähiger wird. Diese Technik ist auch aus der Gesangsausbildung bekannt – man nennt sie Twang.

Abschließend machen wir dann die Hügelübung. Das bedeutet, dass wir alle vier Bausteine kombinieren und zusammen trainieren.

An diese gezielten Übungen schließt sich die Transferphase an. Da machen wir sehr viele In-vivo-Übungen, wir üben also die neue Stimme im Alltag. Zum Beispiel indem Klient*innen Sprachnachrichten aufnehmen, mir etwas vorlesen oder Telefonanrufe machen.

Das sagt Carolins Klientin Nicole über das Stimmtraining:

"Das Stimmtraining macht mir Spaß. Und ich habe schon einige Fortschritte gemacht, z.B. dass es für mich nicht mehr anstrengend ist, in einer höheren Stimmlage zu sprechen oder meine Stimme am Telefon weiblich gelesen wird und ich richtig angesprochen werde. Die Stimme sagt viel über eine Person aus. Vor allem, wenn man auf die verbale Kommunikation angewiesen ist."

Hier probiert Carolins Klientin Mable ihre Stimme am Telefon aus. Foto: Johanniter / Nadine Brantl

Ist die Stimmtransition ein emotionaler Prozess für Klient*innen?

Trans* Personen sind oft unglaublichen Diskriminierungen ausgesetzt. Meine Erfahrung ist, dass diese Personen sehr dankbar sind für den sicheren Raum, den wir ihnen bieten und in dem sie ihre Stimme ausprobieren können. Sie feiern jeden Erfolg.

Eine Übung besteht zum Beispiel darin, dass die Klientin telefonisch einen Friseurtermin verabredet, ohne ihr Geschlecht zu nennen. Anhand des Preises schauen wir dann, wie ihre Stimme gelesen wurde. Die Klient*innen freuen sich dann immer, wenn ihnen ein höherer Preis angegeben wurde –der Preis für einen Damenhaarschnitt.

Eine meiner Klient*innen ist Finanzbeamtin. Sie ist total begeistert, dass sie inzwischen am Telefon automatisch mit “Frau Sowieso” angesprochen wird. Solche Erfolgserlebnisse pushen das Selbstbewusstsein. Insofern: Ja! Das ist ein emotionaler Prozess.

 

Ist die Stimmtransition ein emotionaler Prozess für Klient*innen?

Trans* Personen sind oft unglaublichen Diskriminierungen ausgesetzt. Meine Erfahrung ist, dass diese Personen sehr dankbar sind für den sicheren Raum, den wir ihnen bieten und in dem sie ihre Stimme ausprobieren können. Sie feiern jeden Erfolg.

Eine Übung besteht zum Beispiel darin, dass die Klientin telefonisch einen Friseurtermin verabredet, ohne ihr Geschlecht zu nennen. Anhand des Preises schauen wir dann, wie ihre Stimme gelesen wurde. Die Klient*innen freuen sich dann immer, wenn ihnen ein höherer Preis angegeben wurde –der Preis für einen Damenhaarschnitt.

Eine meiner Klient*innen ist Finanzbeamtin. Sie ist total begeistert, dass sie inzwischen am Telefon automatisch mit “Frau Sowieso” angesprochen wird. Solche Erfolgserlebnisse pushen das Selbstbewusstsein. Insofern: Ja! Das ist ein emotionaler Prozess.

 

Hier probiert Carolins Klientin Mable ihre Stimme am Telefon aus. Foto: Johanniter / Nadine Brantl

Ist eine spezielle Schulung oder Weiterbildung erforderlich? Wie können interessierte Logopäd*innen sich weiterbilden?

Ja, bei LaKru, benannt nach Stephanie A. Kruse und Thomas Lascheit, können Logopäd*innen eine Weiterbildung machen. Diese Methode kombiniert Übungen aus der Gesangspädagogik, der Stimmbildung und Sprecherziehung, basierend auf der LaKru®-Grundidee, dass man die Anatomie nicht verändern, die Physiologie jedoch so trainieren kann, dass diese dem angestrebten Geschlecht ähnlicher wird.
Ich habe eine sehr intensive und realitätsnahe Weiterbildung in Berlin gemacht. Sie hat insgesamt fünf Tage gedauert und allein zwei Tage Training mit realen Klient*innen beinhaltet.

Wie bist du selbst darauf aufmerksam geworden?

Ich habe mich schon immer für Stimmtraining interessiert. Dann kam dazu, dass es in meinem Bekanntenkreis eine nicht-binäre Person gibt und ich selbst erlebt habe, wie groß der Leidensdruck sein kann. Da habe ich überlegt, was ich persönlich beitragen kann, um die Transition zu unterstützen, und bin auf das Stimmtraining aufmerksam geworden. In Großstädten wie Hamburg oder Berlin ist die Stimmtransition schon verbreitet, hier in Franken/Bayern ist sie fast unbekannt. Deshalb stand die Fortbildung lange auf meiner „Bucket List“, bis ich endlich nach Berlin fahren konnte.

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Eine Frau mit dunklen Haaren sitzt auf einem Stuhl und hält ein Telefon.

LaKru Stimmtransition

Hier erfährst du mehr zur LaKru Stimmtransition und für wen sich die Stimmtherapie eignet. Die Kosten werden oftmals durch die Krankenkasse übernommen, wenn eine Heilmittelverordnung vorliegt. Du erhältst Kontakt zur Logopädie-Praxis in Schwabach und findest alle wichtigen Informationen auf Deutsch und Englisch.

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